Verlorene Kindheit: Das gestrafte Kind – Verhaltensfolgen als Erwachsene

Kinder, die mit der Prügelstrafe aufwuchsen, erhielten als Kernaussage das Gefühl, dass sie ‚falsch seien‘ und sich verändern und anpassen müssen, um ‚überleben‘ zu können und die Bindung zu den Eltern und die damit erhoffte Liebe nicht zu verlieren.

Im fast ‚harmlosesten‘ Fall sind Kinder konsistent nur für bestimmte Verhaltensweisen körperlich bestraft worden. Dadurch hat das Kind gelernt: ‚das, was ich getan habe, war falsch‘

Es hat die durch Schläge gebranntmarkten Verhaltensweisen abgestellt, um den Eltern zu gefallen und weitere Schmerzen zu vermeiden. Es hat dadurch gelernt: ‚wenn ich genau dieses tue, dann geht es mir schlecht und ich bin selbst schuld, weil ich das getan habe (obwohl die Schuld für die Art der Bestrafung bei den Eltern liegt). Beispiele für die Verhaltensfolgen im Erwachsenenleben sind z.B.:

  • unerklärliche oder übertriebene Schuldgefühle
  • Wurde das Kind regelmäßig für Ungehorsam oder Aufbegehren geschlagen, wird es im Erwachsenenleben immer noch ein ungutes Gefühl haben, seinen eigenen Willen zu äußern, ihm zu folgen oder sich gegen Dinge aufzulehnen, Nein-zu-sagen etc.. Oder es wird solche ‚Unternehmungen‘ gar vollständig unterlassen, weil die alte unbewusste Angst vor der Bestrafung immer noch eine Auflehnung oder Ungehorsamkeit verhindert. Denn dies wurde damals tief und intensiv in der Kindheit negativ konditioniert. Auch wenn eine Verhaltensänderung gelingt, dann wird diese oft noch von den alten Schuldgefühlen begleitet und den unguten Gefühlen des kleinen – Strafe befürchtenden – Kindes, obwohl ein Aufbegehren in der Erwachsenensituation vielleicht gerechtfertigt ist.
  • Wurde z.B. gestraft bei ‚wenn Erwachsene sich unterhalten, hast du zu schweigen‘, dann wird es im Erwachsenenalter ein ungutes Gefühl mit Autoritäten haben oder überhaupt die eigene Meinung zu vertreten.
  • Wurde bei Disziplinlosigkeit gestraft, dann wird der Erwachsene immer noch mit Situationen und Schuldgefühlen zu kämpfen haben, auch wenn er nun durchaus undiszipliniert sein dürfte oder z.B. sich selbst oder andere(s) verstärkt kontrollieren.
  • usw.

Etwas Falsches zu tun erzeugt Schuldgefühle. Schwieriger ist es, wenn es inkonsistent oder häufig Prügel gab:

Wenn das Kind in Ihnen nicht nachvollziehen konnte, wann es Bestrafungen zu befürchten hat oder welche ‚Vergehen‘ es zu vermeiden hat oder wenn die schmerzhaften Bestrafungen sehr häufig und nicht mehr verstehbar waren, dann werden Sie den Rückschluss gezogen haben: ‚egal was ich tue, es ist falsch‘ und damit irgendwann in Ihrer Identität den Glauben entwickelt haben: ‚ich bin falsch‘.

Das Gefühl ‚ich bin falsch‘ kann drei schwerwiegende Metakonsequenzen haben:

1.       eine ‚erlernte Hilflosigkeit‘ (ein Begriff, den Martin Seligmann und Steven Maier geprägt haben, vgl. Wikipedia)

Personen verharren in schmerzhaften Situationen oder Umgebungen, weil sie in Ihrem Leben die Erfahrung gemacht haben, dass sie  ‚sowieso nichts ändern können‘. Die Folge davon ist mangelndes Engagement, etwas zum Positiven verändern zu wollen, leidvolles Ertragen unangenehmer Konsequenzen, Verharren in der Opferrolle, Gefühle von absoluter Hilflosig- und Hoffnungslosigkeit (bis hin zu Depressionen), Gefühle wie ‚zu schwach zu sein‘ oder ‚meine Gefühle zählen sowieso nicht‘ usw.

2.       und/oder: Schamgefühle

‚Ich bin falsch‘ erzeugt Scham und damit ebenso weitere, weitreichende Verhaltensänderungen. Die dadurch entstehende Vorstellung vom eigenen Ich ist sehr destruktiv und produziert sehr negative Emotionen, weil das gesamte Dasein nun in Frage gestellt wird und dadurch mehr oder weniger starke Verhaltensänderung und/oder körperliche Lähmung entstehen. Durch das Gefühl von ‚ich bin falsch‘ wird das eigene Ich vollständig negiert mit allen Eigenarten und es entstehen starke Ängste oder Trauer oder auch

  • Schüchternheit
  • Kontaktscheue
  • das Gefühl, nichts wert zu sein
  • das Gefühl, dass alle anderen mehr wert sind und man deswegen den anderen mehr gerecht werden muss als sich selbst
  • das Gefühl, dass der Wille der anderen mehr zählt als der eigene
  • Unsicherheit im Umgang mit anderen
  • Stammeln, Stottern, schnelles Erröten
  • eine Blockade, die Meinung (frei) zu äußern
  • sich nicht lebenswert zu fühlen
  • das Gefühl, ein Versager zu sein
  • sich selbst nicht zu mögen (‚so, wie ich bin, bin ich falsch‘)
  • die Unterdrückung eigener Gefühle
  • Antriebslosigkeit, Lähmungsgefühle
  • die Suche und Sehnsucht nach wahrer Liebe für das eigentliche Ich
  • Autoaggressionen (z.B. durch das Essverhalten, Selbstbestrafungsaktionen, wie zu viel arbeiten oder zu leisten, Selbstbekämpfungs-Verhalten in Form von Süchten, Ritzen, Drogenabusus usw.

3.       und/oder: Das Streben nach Perfektionismus

Aus inkonsistenten oder häufigen Bestrafungen entsteht auch der Wunsch nach Perfektionismus und perfektionistisches Verhalten: ‚wenn ich nichts falsch mache und es allen recht mache, geht es mir gut und mir kann mir nichts passieren‘. Somit wird gehofft, dass kein weiterer körperlicher oder emotionaler Schmerz durch Schläge oder Liebesentzug entsteht. Die Entwicklung von Perfektionismus ist ein Bewältigungsversuch und eine Form der Kompensation zur Vermeidung der unangenehmen, schmerzhaften Konsequenzen in der Kindheit. Dieses Verhalten überdauert die Kindheit und äußert sich als Erwachsener in

  • vorauseilendem Gehorsam  (um Bestrafungen zu vermeiden)
  • Überengagement, verstärkter Leistung
  • übertriebener Anpassung (‚damit es mir nicht wieder schlecht geht‘)
  • Kritikvermeidung und -unfähigkeit (die aber autoaggressiv wirkt)
  • sich verbiegen, damit man von anderen gewollt wird und diese zufrieden mit einem sind
  • sich stets selbst für das Nicht-Gelingen einer Sache die Schuld geben und durch eigenes Kompensieren das Gelingen herbeiführen wollen
  • Gefallsucht: möglichst viel tun, um anderen zu gefallen, weil Ablehnung gefürchtet und vermieden wird
  • enormes Status- und Machtstreben
  • es anderen beweisen zu wollen, besser zu sein

Diese Verhaltensänderungen führen letztendlich zu vielen neuen Problemen. Dadurch kommt es nicht selten auch zu den körperlichen Schwierigkeiten, die ich in  ‚Frühkindliche Missbrauchs- oder Gewalterfahrungen Teil I: körperliche Folgen als Erwachsene‘ beschrieben habe – als Ergebnis der Angst des inneren Kindes vor Bestrafungen oder Liebesentzug.

Hier schließt sich also der Kreis, wie aus körperlicher Misshandlung zunächst Verhaltensänderungen und letztendlich körperliche und/oder psychische Probleme entstehen können.

©Nicole Teschner – 2018

Foto: ©Yvonne Bogdanski photoxpress.com

Abschluss ‚Verlorene Kindheit‘: ‚Stopp‘ den gequälten Kinderseelen!

Sie mögen umstritten sein, aber in diesem Song treffen Sido & Bushido den Nerv (oben eine Coverversion):

‚Gib nicht auf‘

handelt von Kindern, die ausgegrenzt, gemobbt, vernachlässigt, anders sind – und deren gequältes Herz schreit:

Kindersorgen, die es heute gibt – Kindersorgen, die es immer schon gab, und die sich bis ins Erwachsenenalter problematisch auswirken können!

Mit diesem Video möchte ich Sie am Abschluss der Serie ‚verlorene Kindheit‘ nochmals teasern, Ihren eigenen Kindheitsnöten achtsam nachzuspüren, um Unverarbeitetes mit all Ihren Erwachsenenkompetenzen von heute integrieren zu können. Denn heute können Sie dies schaffen, weil Sie im Gegensatz zu damals sehr viel stärker sind und viel mehr Möglichkeiten haben und gut für sich selbst sorgen können!

Und ‚Sido & Bushido‘ mögen Sie gleichzeitig an unsere heranwachsene Generationen erinnern: 

Denken Sie daran: Ein einziger ‚wissender Zeuge‘ reicht, um eine Kinderseele zu retten, wenn dieser dem Kind zu verstehen gibt, dass es jemand gibt, der seine Nöte ernst nimmt. Dadurch kann ein Kind sehr viel resilienter werden. Das war es, was Alice Miller in all ihren Büchern immer wieder betont hat: bereits ein wissender Zeuge genügt, um das Weltbild eines geschundenen, gemobbten Kindes nachhaltig positiv zu verändern!

Dieses Video fasst damit meinen Appell an Sie durch die Serie ‚verlorene Kindheit‘ zusammen:

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihr eigener ‚wissender Zeuge‘ für eigene, noch ungeheilte Kindheitsnöte werden und auch die Augen offenhalten für schreiende Kinderseelen von heute. Denn es gibt noch viel zu viele davon. (Doch Vorsicht! Sollten Sie etwas derartiges bemerken, sprechen Sie bitte mit professionellen Ansprechpartnern, die dann weitere Schritte unternehmen können. Bitte agieren Sie keineswegs selbst!)

Wenn ich Sie mit dieser Serie für diese zwei Punkte sensibilisieren konnte, dann hat sich meine Ausarbeitung der Serie mehr als gelohnt!

Also:

Tue mir den Gefallen, gib nicht auf,

selbst wenn Du jetzt denkst,

Du kommst nie wieder aus dem Loch hier heraus,

auch wenn es manchmal schwerfällt und du denkst,

das Leben macht keinen Sinn,

guck: die Sonne geht doch wieder auf!

(Sido&Bushido, Gib nicht auf!)

©Nicole Teschner – 2013

(Hinweis: das Urheberrecht auf obiges Video oder die Musik obliegt den Veröffentlichten/Künstlern.)

Verlorene Kindheit: Kindheitstraumen und deren Folgen

Ein Trauma wird durch eine extreme – seelisch und körperlich nicht aushaltbare – Schmerzsituation ausgelöst, der man hoffnungslos ohne Fluchtchance ausgeliefert ist.

Während bei Erwachsenen die auslösenden Ereignisse meist stärkerer Art sein müssen (wie bei Unfällen, Verbrechen, Katastrophen, Folter) reichen bei Kindern neben schwerwiegenden körperlichen oder sexuellen Missbrauchserfahrungen oft auch schon ‚sehr viel geringere‘ Anlässe, um ebenfalls traumatisiert zu werden:  so z.B. im Säuglings- und Kleinkindalter ein Alleinlassen oder Vernachlässigung, anhaltende Ruhigstellung, extrem heißen oder kalten Temperaturen ausgesetzt sein, plötzliche, laute Geräusche oder auch Geburtsstress (dieser kann sowohl für Mutter und Kind traumatisch sein).

Bei etwa sieben bis fünfzehn Prozent der Kinder unseres Landes war beziehungsweise ist das Erleben einer  solchen Traumasituation eine Erfahrung, die sich im Alltag abgespielt hat (Bauer).

Während der Traumaentstehung durchläuft der Mensch schmerzhafte Erfahrungen auf zwei Ebenen:

  • Auf der Ebene des Körpers
  • Auf der Ebene der Seele

Diese werden im Gehirn in verschiedenen Bereichen registriert. Ich möchte hier die Reaktion des Gehirns auf den unerträglichen seelischen Schmerz – und wie es schließlich zu den typischen Traumasymptomen kommt – näher beschreiben :

Um eine traumatische Situation überhaupt ertragen zu können, hilft sich das Gehirn mit einem Notfallmechanismus, der das emotionale/seelische Überleben in der unausweichlichen Situation ermöglicht: die Teile des Gehirns, die für die Wahrnehmung des seelischen und emotionalen Schmerzes zuständig sind (Amygdala und Gyrus cinguli), werden quasi abgeschaltet. Dies funktioniert durch die massenhafte Bildung schmerzstillender und betäubender Substanzen in diesen Bereichen durch diese Bereiche selbst (es werden endogene Opioide und Endorphine gebildet). In der Folge nimmt das Gehirn keinen emotionalen/seelischen Schmerz wahr. Und da diese Bereiche im Normalfall das Selbstgefühl vermitteln, wird also das, was wir als unser Selbst erleben, in der Traumasituation abgetrennt.

Das Ergebnis ist, dass die (körperlichen) Erfahrungen quasi abgetrennt vom Ich erlebt werden. Und dies bezeichnet man als Dissoziation.

Bei leichten Formen der Dissoziation entsteht das Gefühl, nicht mehr gut im Kontakt mit dem eigenen Körper zu stehen. Bei schweren Formen der Dissoziation gibt es meist keinen Kontakt mehr zum eigenen Körper, es treten Lähmungs- oder Teillähmungserscheinungen auf, das Gefühl innerlich leer zu sein, keinen emotionalen Kontakt zu Mitmenschen zu haben (bei gleichzeitig starken Einsamkeitsgefühlen), Taubheitsgefühle.

Die schwersten Formen traumatisch bedingter Dissoziationen können sogar zur Abspaltung eigener Persönlichkeiten führen (nach wiederholten Schwersttraumatisierungen). Dies kann zur Bildung der dissoziativen Identitätsstörung (multiple Persönlichkeitsstörung) führen.

Dissoziative Phänomene sind also das Kernsymptom traumatischer Erfahrungen. Sie sind ein zentrales Symptom bei der Borderline-Störung, treten bei Essstörungen und auch bei anderen Erkrankungsbildern auf. Begleiterkrankungen sind Depressionen, Angststörungen, Flashbacks, Albträume, erhöhte Stresslabilität.

Die Schwierigkeit an einmal erlebten Traumen besteht darin, dass das Gehirn derart sensibilisiert ist, sodass fortan kleinste Ähnlichkeiten von Alltagssituationen oder Personen zur Erinnerung an die traumatische Erfahrung reichen und es somit immer wieder und immer schneller zum Auftreten der dissoziativen Phänomene kommt, die die Lebensqualität enorm herabsetzen.

Die Bearbeitung erlebter Traumen ruft häufig erneut die enorm schmerzhaften Erinnerungen hervor – mit den begleitenden Einschränkungen durch die Dissoziation. Daher  müssen erlittene Traumatisierungen auf jeden Fall über einem längeren Zeitraum mit kundigen Trauma-Therapeuten bearbeitet werden, um die aktuelle Gesundheitsproblematik zu verbessern. Hier ist Selbsthilfe eher schädigend. Ich empfehle dringend, sich Therapeuten anzuvertrauen, die auf diesem Gebiet versiert sind! Stichworte für die Suche geeigneter Traumatherapeuten sind z.B. EMDR, Somatic experience®, wingwave u.a.

©Nicole Teschner – 2013

©Foto: Clarini photoxpress.com

Verlorene Kindheit: Das gestrafte Kind – körperliche Folgen als Erwachsene

Nach dem psychischen Missbrauch, den Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung  anderen Menschen oder sogar Kindern antun oder angetan haben, möchte ich das Thema körperliche Misshandlung und Bestrafung in der Kindheit aufgreifen.

Eine ganze Generation Kinder ist Opfer der ‚schwarzen Pädagogik‘ geworden.

Die schwarze Pädagogik sah vor, dass man Kinder durch körperliche Züchtigungen erziehen solle, weil sie es bräuchten und sonst nicht ordentlich heranwüchsen – eine Philosophie auf der Basis von Luthers Lehren und dem vierten Gebot ‚du sollst Vater und Mutter ehren‘. Erst im Verlauf der 70er und 80er Jahre ist immer mehr erkannt worden, dass das körperliche Erziehen doch schädlich auf die Psyche der Kinder ist und es hat sich in der Pädagogik seither viel verbessert.

Das heißt, dass viele – wenn nicht die meisten – der heute um die 40, 50 oder 60-jährigen Rohrstock, Teppichklopfer, Kleiderbügel, Kochlöffel, schlagende Hände o.ä. in anderer Funktion als ursprünglich geplant in unangenehmer Erinnerung haben dürften. Oder anders formuliert: die Ausnahme war ein Aufwachsen ohne Körperstrafe.

Erst ab dem Jahr 2000 haben Kinder laut BGB §1631 – dem ‚Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung‘ das ausdrückliche Recht auf gewaltfreie Erziehung: ‚Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig‘ (vgl. Wikipedia).

Körperliche Konsequenzen

Eine ganze Generation kennt also die Prügelstrafe, die Unvorhersehbarkeit von Bindungspersonen und die Unsicherheit, die das häusliche Umfeld damit erzeugt hat. Und das hat weitreichende körperliche Konsequenzen bis ins Erwachsenenalter hinein:

Wie aktuelle Unteruchungen zeigen, hängen frühkindliche Missbrauchserfahrung (hier bezogen auf die rein körperlichen!) eng mit der Entstehung von Depressionen, Angsterkrankungen und Angstsymptomen, plötzlich auftauchenden Schreckensbildern, Borderline-Störungen und Essstörungen  zusammen. Auch das ‚bloße‘ Miterleben häuslicher Gewalt hat ähnliche Effekte und führt zu stressbedingten Erkrankungen.

Kinder erleben Erfahrungen eher traumatisch als Erwachsene

Das kindliche Gehirn ist sehr anfällig für die Entwicklung Misshandlungs-bedingter Spätfolgen. Während bei Erwachsenen eher schwerwiegende Ereignisse eintreten müssen, damit es zu schwerwiegenden Veränderungen des Gehirns kommt, reichen bei Kindern auch weniger bedrohliche Ereignisse, um zu solchen Veränderungen zu führen (z.B. mangelnder Körperkontakt von Neugeborenen), weil das frühkindliche Gehirn enorm plastisch ist und es damit stressanfälliger ist. Und diese ‚Stresserfahrung‘ wird damit quasi in das Gehirn ‚eingebrannt‘.

Je eher solche Erfahrungen gemacht werden, desto stärker ist die Wahrscheinlichkeit einer starken ‚Ver-Formung‘ der Gehirnarchitektur, weil die Neuroplastizität ihren Höhepunkt bei ca. einem Lebensjahr hat und danach stetig geringer wird.

Wenn solche Erfahrungen sogar gemacht werden, bevor die Sprachentwicklung stattgefunden hat, dann bleiben damit verbundene Emotionen im Gedächtnis gespeichert, aber die Erinnerung dazu kann niemals in Worte gefasst werden, weil dazu die Sprachentwicklung nötig ist. Damit ‚gibt es zwar die Gefühle und die Emotionen, nicht aber die Worte für die Erinnerung, die sie formten‘ (Daniel Goleman). Solche frühkindlichen Erfahrungen, die später nicht unmittelbar dem Bewusstsein zugänglich zu machen sind, haben damit das Potenzial, zu Beeinträchtigungen bis ins Erwachsenendasein zu führen, ohne dass ein Erinnerungszusammenhang hergestellt werden könnte.

Doch was, wenn Sie bei sich solche Zusammenhänge erkennen?

Auf gar keinen Fall sollten Sie nun Massen-Privatgerichte hervorrufen, wo Sie als Erwachsene jetzt anfangen ihre (vielleicht noch lebenden) Eltern für aktuelle gesundheitliche Schwierigkeiten zur Rechenschaft zu ziehen. Denn ein ‚zur Rede stellen‘ der Eltern ist erst einmal gar nicht notwendig. Außerdem werden diese in den wenigsten Fällen ‚zugeben‘ – geschweige denn sich entschuldigen -, dass Sie damals etwas Falsches getan haben, weil Sie unter anderen Voraussetzungen und Vorstellungen aufgewachsen sind und demgemäß gehandelt haben und es ihnen oft sogar richtig erschien.

Ihre Aufgabe ist es, erst einmal solche Zusammehänge zu erkennen und zu begreifen, dass körperliche Strafen, Schikanen, Beschämungen in Ihrer Kindheit in Zusammenhang mit aktuellen Problemen stehen könnten. Und danach sollten Sie sich daran machen, diese Themen und die Zusammenhänge zu bearbeiten und ‚aufzulösen“, so dass sie Ihnen keine weiteren Schwierigkeiten mehr bereiten werden. Und dafür gibt es viele gute Möglichkeiten und Strategien.

©Nicole Teschner – 2013

Foto: ©starush photoxpress.com

Verlorene Kindheit: Wenn Narzissten Kinder kriegen

Ich möchte hier eine Persönlichkeitsstörung aufgreifen, die unter normalen Umständen fast gar nicht zu entlarven ist und für Außenstehende auch mehr oder weniger normal erscheint: Mit-Betroffene spüren zwar, dass das Gegenüber (Vater, Mutter oder Partner) sie förmlich auszusaugen scheint, sie lähmt und es ihnen psychisch immer schlechter geht, doch sie können in keinster Weise beschreiben, warum dies so ist oder was schief läuft oder warum ihr Leiden immer stärker wird.

Denn viel zu schlau und ausgesprochen subtil agieren Menschen mit narzisstisch gestörter Persönlichkeit (NPS, hier weiterhin nur noch als Narzissten bezeichnet) und hinterlassen für gewöhnlich in all ihren Wirkungskreisen ‚tatsächliche oder lebende Leichen‘ (nach Marie-France Hirigoyen).

Das Schwierige daran ist, dass diese Persönlichkeitsstörung im Alltag nur sehr schwer zu erkennen ist. Menschen, die diese Störung haben, werden dies den Rest ihres Lebens meist nicht als Störung oder gar problematisch wahrnehmen: Sie sind ja ‚das Maß aller Dinge und unfehlbar‘ und ‚genau richtig bei all dem, was sie tun‘, denn dies ist bereits Teil ihrer Störung.

Sie suchen sich ein Opfer aus, beobachten es und verführen es regelrecht dazu, sich ihnen zu nähern.

Sie ziehen es in ihren Bann, verleiben es sich Stück für Stück  ein, indem sie es abhängig machen, und fangen an, es systematisch zu zerstören: immer soweit, dass sie sich dadurch ihre eigene Mächtigkeit und Überlegenheit vor Augen führen können. Genau dieses ‚Verführen und emotionale Schmerzen hinzufügen‘ kann sehr lange dauern – sogar Jahre. Oft wählt der Narzisst sogar Opfer, die ihm überlegen sind, damit die Herausforderung der Erniedrigung einen ‚besonderen Kick‘ gegen den eigenen schwachen Selbstwert gibt.

Der Narzisst spielt sein ‚psychologisch-sadistisches Spiel‘, um seine eigene Mächtigkeit vor sich selbst zu demonstrieren.

Insgesamt ist sein ganzes Verhalten und Tun darauf ausgelegt, sich selbst zu beweisen, dass ‚seine eigene Minderwertigkeit‘ nicht der Realität entspricht. Deswegen inszeniert er sich gerne auf jeder Plattform, in jeder Beziehung und zu allen Zeiten selbstherrlich und großartig (doch Vorsicht: narzisstische Züge zu haben oder eine NPS sind verschiedene Dinge!).

Der Narzisst muss immer Mittelpunkt des aktuellen Geschehens sein, er beherrscht das Gespräch (oft auch mit Charme, Witz und Verführung) und verdrängt jeden, der seinem Mittelpunkt gefährlich werden könnte. Sehr kennzeichnend ist es, dass Narzissten keinerlei Empathie haben – und damit das Risiko von Mitleid. So ist es eine konsequente Folge, dass ein Narzisst keine Regung in sich verspürt, sich selbst verändern zu müssen, da er zwischenmenschlich keinerlei Probleme wahrnimmt. Sie werden Narzissten auch in den seltesten Fällen in einer Therapie o.ä. finden.

Narzissten sind Meister der Tarnung. Sie erniedrigen ihre Opfer gerne im Stillen in der vertrauten Zweisamkeit.

Ganz gleich was das Opfer unternimmt: es wird durch den Narzissten auf geschickte und verwirrende Art und Weise immer wieder zum Verlierer gemacht…

Im Erwachsenenalter ist das Durchleben einer Beziehung mit einem Narzissten bereits sehr schädigend. Mehr als tragisch verhält es sich dagegen, wenn Narzissten Kinder kriegen:

Denn Narzissten werden keinen Halt vor Kindern machen und diese ebenso für ihr perfides ‚Spiel‘ missbrauchen. Das Ergebnis sind Erwachsene, die sich irgendwann fragen, was ’schief‘ gelaufen ist, aber überhaupt nicht zuordnen können, was genau. Und diese Menschen benötigen dann fundierte Unterstüzung, um solche Erfahrungen verarbeiten zu können.

Denn Narzissten sind wie Falschfahrer auf der Autobahn: sie sind tatsächlich felsenfest davon überzeugt, dass sich alle anderen in der Fahrtrichtung geirrt haben, nur sie nicht – und sie verstehen es, die anderen davon zu überzeugen!

Nicole Teschner – 2013

Bild: © Lane Erickson – Fotolia.com

Einführung ‚Verlorene Kindheit‘

Negative Kindheitserfahrungen mit enorm stressenden oder gar traumatischen Ereignissen haben einen starken Einfluss auf die hirnchemische und neuronale Entwicklung des kindlichen Gehirns.

Das Gehirn nimmt durch traumatische Kindheitserlebnisse strukturelle Veränderungen vor und bildet dadurch ein Stressgedächtnis.  Und dies führt zu einem erhöhten Risiko, später stressbedingte Erkrankungen zu bilden oder eben in einen Burnout zu geraten. Auch verdrängte Erfahrungen und/oder Gefühle haben oft Einfluss.

Was meine ich, wenn ich hier von ‚verlorene Kindheit‘ spreche?

Ich meine damit all die Ereignisse, Umstände, Begebenheiten in Ihrer Kindheit, die Sie rückblickend immer noch betroffen und traurig machen. Dies könnten z.B. sein

  • Psychische Gewalt durch Bindungspersonen
  • schwierig erlebte Einzelereignisse, z.B. der erste Tag alleine in Kinderhort oder Schule, allein im Krankenhaus bleiben zu müssen, Hänseleien, schwierige Eltern- oder Bezugspersonen-Beziehungen, ein Unfallereignis…
  • Armut und deren Folgen, Co-Abhängigkeiten, prägende Familienbeziehungen…
  • einfach die Umstände, Suchterkrankungen der Familienangehörigen…
  • usw.

Ich möchte Sie mit der Serie ‚verlorene Kindheit‘ sensibilisieren für das, was eventuell noch unerlöst und ‚ungefühlt‘ als Kindheitsschmerz in Ihnen schlummert und Ursache für heutige Probleme sein könnte.

Ich möchte Ihnen ‚Aha‘-Erlebnisse bescheren, damit Sie erkennen können‚ wann etwas ’schief gelaufen sein könnte‘ oder was Ihnen noch gar nicht bewusst war. Ich möchte, dass Sie Hinweise bekommen, wo die eigentliche Ursache für aktuelle Probleme sein könnte und warum Sie dadurch heute weitreichende körperliche oder psychische Schwierigkeiten haben könnten.

Und für manche Ereignisse benötigen Sie professionelle Begleitung und das sollten Sie bitte sehr ernst nehmen!

Sollten Sie gerade in einer schwierigen Situation stecken (Trennung, Arbeitsverlust, wirtschaftliche Probleme, Verlusterfahrungen etc.), sollten Sie warten, bis Sie körperlich und geistig und von den Umständen her soweit stabil sind, dass Sie in der Lage sind, solche Themen zu bearbeiten. Wenn es nun so lange in Ihnen geschlummert hat, dann darf es auch noch so lange weiter schlummern, bis Sie fit für eine Aufarbeitung sind.

©Nicole Teschner – 2013

Bild: ©Laurent Challencin photoxpress.com

Start ‚Verlorene Kindheit‘

verlorene KindheitViele Probleme, die Menschen im Erwachsenenleben haben, beginnen in der Kindheit. Diese entstehen häufig als Folge einer dadurch bedingten erhöhten Stressanfälligkeit aufgrund schwieriger Kindheitsereignisse oder auch der Verdrängung von Kindheitsthemen, -traumen oder -gefühlen.

Daher habe ich mich dazu entschlossen, in der nächsten Zeit eine Serie von Artikeln zu veröffentlichen, die hilfreich für Personen sind, die unter ‚besonderen‘ Umständen aufgewachsen sind.

Zunächst ist mir jedoch wichtig zu sagen:

  1. es gibt faktisch keine Eltern, die alles richtig machen in der Erziehung und auch keine Erwachsenen, die nicht irgendetwas nennen könnten, was weniger vorteilhaft in ihrer Erziehung gelaufen ist.
  2. Es ist schlimm, was manchen Kindern widerfährt und dass sie davon bis ins Erwachsenenalter belastet bleiben. Vieles ist sicher sehr zu verurteilen. Doch wir dürfen dabei niemals vergessen, dass in vielen Fällen oft auch die Eltern ähnliche Negativerfahrungen als Prägung in Ihrer Kindheit erlebt haben und das manches über Generationen hinweg – unerlöst – weitergegeben (weitergelebt) wird. Das entschuldigt nichts, ich weiß. Aber erklärt zumindest ein wenig, warum es so war wie es war und trägt vielleicht irgendwann ein bisschen dazu bei, nachträglich mehr Frieden mit der Gesamtsituation zu finden.

Es soll mir hier um Familien- und Persönlichkeitsmuster gehen, die langfristig schädlichen Einfluss auf die Entwicklung der Kinderpsyche haben und die manchem ein Stück (oder vollständig) die glückliche Kindheit geraubt haben.

Sehr wichtig sind Schwierigkeiten, die Trauma und Vernachlässigung bei Kindern auslösen, körperliche und sexuelle Gewalt und es sind auch sehr viele, sehr gute Bücher zu diesen Themen erschienen. Daher folgen hier von meiner Seite noch Buch- und Linktipps zum Weiterlesen.

Ich möchte auch auf Muster und ‚pädagogische‘ Strukturen eingehen, über die Betroffene im allgemeinen immer noch schamhaft schweigen oder deren Destruktivität einem Betroffenen überhaupt noch nicht bewusst geworden sind.

Ich möchte Sie mit dieser Serie zum Nachdenken, zum Nachlesen,  zur Selbstreflexion,  zum Bewusstmachen anregen. Vielleicht kann ich dadurch einen Stein für Sie ins Rollen bringen, der von Ihrer Gegenwartsproblematik eine Brücke zurück zu Ihrer Kindheit schlägt und dadurch ein fehlendes Puzzleteil in Ihrem Genesungsprozess liefert. (Wenn Sie bei einem der Themen Hilfe benötigen, kann ich Sie durch ein Coaching wirksam unterstützen. Gerne können Sie mir eine Anfrage zu Ihrer Thematik schicken!)

Ich möchte Sie hier auch auf andere andere Seiten im Internet hinweisen und hilfreiche Bücher vorschlagen.

Los geht es mit der Einführung. Danach wird sich der Bogen spannen über die Themenkomplexe

  • Narzissmus und psychische Gewalt
  • Die Folgen körperlicher Gewalt/Bestrafungen
  • Traumabearbeitung
  • Abschluss der Serie

Unter dem Menüpunkt ‚verlorene Kindheit‘ werden Sie fortan diesen Text und die Links zu den einzelnen Artikeln gesammelt aufrufen können.

©Nicole Teschner – 2013

Foto: ©Terry McClean – Photoexpress.com