Was Sie über Panikattacken wissen sollten und warum Panikattacken auch auf einen Burnout hinweisen können – Teil I

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Panikattacken sind extreme (und äußerst ‘beeindruckende‘) Körperphänomene: Eine starke Erregung des körperlichen Alarmsystems (des Sympathikus) löst eine ganze Kaskade Adrenalin-bedingter körperlicher Akutsymptome aus. Panikattacken werden als massives, einschneidendes Körpererlebnis wahrgenommen – oft sogar mit einer intensiven Angst ’jetzt’ zu sterben oder die Kontrolle zu verlieren.

Die Symptome sind massiv:

Auf der körperlichen Ebene bewirken Panikattacken Symptome wie starkes Herzklopfen oder Herzrasen, Schweißausbrüche und Schwitzen, starkes Zittern, Gefühlsstörungen in Armen und Beinen (wie Kribbeln, “Ameisenlaufen”, Brennen oder Taubheitsgefühle), Mundtrockenheit, Atembeschwerden (das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen,) Brust- oder Bauchschmerzen, Beklemmungsgefühle, Übelkeit – und diese mehr oder weniger alle zusammen. Jedoch können auch einige der Symptome im Vordergrund stehen.

Auf der psychischen Ebene treten gleichzeitig Schwindelgefühle, Gefühle von Benommenheit oder Schwäche, Gefühle, dass der eigene Körper fremd erscheint oder macht was er will (Depersonalisation), Gefühle, dass die Umgebung fremd erscheint (Derealisation) und starke Ängste auf, wie: “gleich bekomme ich einen Herzinfarkt!”, “ich breche gleich zusammen!”, “ich falle gleich um!” – (d.h. die Angst zu sterben) – oder “ich flippe gleich aus!”, “gleich weiß ich nicht mehr was ich tue!”, “gleich mache ich etwas, was andere verletzen könnte!” – (Angst, die Kontrolle zu verlieren).

Häufig enden Panikattacken demnach auch mit dem Notruf eines Arztes oder Rettungswagens – wobei meist bei deren Ankunft die Panikattacke bereits wieder abgeklungen ist und sich dann keine körperliche Ursache für den Moment finden lässt.

Panikattacken können entstehen

  • als normale Reaktion des Körpers auf enorm schwere, belastende und lebensbedrohliche Situationen
  • als Folge körperlicher Ursachen oder
  • aufgrund psychischer Ursachen.

Lag als Auslöser eine bedrohliche Situation vor, dann ist mit Beenden und guter Verarbeitung der Situation (und wenn sie sich nicht wiederholt) in der Regel mit keinen weiteren Panikattacken zu rechnen.

Gibt es körperliche Ursachen, dann werden diese Ursachen recht zügig durch den behandelnden Notarzt oder eine gründliche körperliche Untersuchung aufgespürt und die Ursachen behandelt. Dadurch wird es schon bald zu keinen weiteren Panikanfällen kommen. (Hier sei schon vorweggenommen, dass körperliche Verursacher von Panikattacken mit hoher Wahrscheinlichkeit schnell gefunden und entsprechend therapiert werden!)

Die dritte Möglichkeit ist die, die wohl am häufigsten auftritt: Panikattacken treten plötzlich und unerwartet in einer vergleichsweise harmlosen Situation das erste Mal auf. Wenn die beiden ersten Gründe bereits ausgeschlossen wurden, dann  sollten Betroffene möglichst zügig in liebevoller Selbstakzeptanz die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es psychische Gründe hat, die die Panikattacke ausgelöst haben. Eine solche Einsicht kann natürlich erst einmal viel inneren Widerstand hervorrufen. Denn damit liegt der Auslöser in der eigenen Verantwortung und es ist Nach- und Umdenken, sowie wahrscheinlich Lebensveränderung nötig. Doch den wahren Ursachen auf den Grund zu gehen und sich dementsprechend zu verändern lohnt sich, wie ich im nächsten Artikel noch beschreiben werde.

Es sind meist normale und eigentlich harmlose Situationen, wo Panikattacken das erste Mal auftreten,

und das meist urplötzlich, ohne Vorankündigung, quasi wie aus heiterem Himmel. Diese harmlosen Situationen lösen normalerweise keine Ängste aus (und haben bei den Betroffenen bislang auch nie zuvor Ängste ausgelöst): dies kann z.B. in der Öffentlichkeit, in Kaufhäusern, in Menschenmengen von Veranstaltungen, in Fahrstühlen oder anderen Situationen sein, wo subjektiv ein Verlassen der Situation gerade unangebracht oder unmöglich erscheint (z.B. auch Meetings oder Vorträge). Wenn dann eine Panikattacke auftritt, verlassen Betroffene aufgrund der schon beschriebenen massiven körperlichen und geistigen Reaktionen fluchtartig die Situation und das Ganze endet nicht selten mit dem Ruf eines Notarztes.

Nach dem Abklingen der Symptome und dem Negativ-Befund des gerufenen Arztes und auch der Folgeuntersuchungen wird dem Betroffenen sehr schnell selbst klar, dass Körperreaktionen und Situation ganz und gar nicht zusammenpassten und es sich hier um keine ‘normale’ und verständliche Reaktion des eigenen Körpers gehandelt hat.

Und damit bleibt diese erste Panikattacke auch nie folgenlos, sondern führt zu charakteristischen Verhaltensänderungen der Betroffenen:

  • Da es sich bei Panikattacken um so tiefgreifende Erlebnisse handelt, werden ab sofort gleiche und ähnliche Situationen – wie bei der ersten Panikattacke – vermieden, um der Gefahr einer erneuten Panikattacke vorzubeugen. Dies kann manchmal durchaus gelingen (z.B. wenn es nur darum geht, Fahrstühle zu meiden). Dies Vermeidungsverhalten führt jedoch zu einer Zunahme der inneren Anspannung, weil nun immer ein drohendes Damokles-Schwert über die Betroffenen schwebt, ob sie nicht doch bald erneut einen solchen ‘Anfall’ erleben werden. Damit entwickeln sie eine Angst vor erneuten Panikattacken: also eine Angst-vor-der-Angst, die zusammen mit exzessivem Vermeidungsverhalten das Auftreten erneuter Panikattacken begünstigt.
  • Außerdem beginnen Betroffene als direkte Reaktion auf die erste Panikattacke ihren Körper sehr viel genauer zu beobachten (da ihnen ja scheinbar bislang ‘irgendetwas’ entgangen sein muss, wenn der Körper aus heiterem Himmel mit derart heftigen Reaktionen unvorhersehbar reagiert!): sie horchen ab jetzt permanent in sich hinein und spüren akribisch den körperlichen Prozessen nach, ob dort etwas ’Verdächtiges’ wahrzunehmen ist und um – falls ja – rechtzeitig ‘Gegenmaßnahmen’ ergreifen zu können (wie sich sofort Hilfe suchen oder schnell zum Arzt fahren o.ä,). Ein Beispiel, wie sich eine komplette Panikspirale nach einer ersten Panikattacke so in Gang setzen kann: während der inneren Selbstbeobachtung wird z.B. unbewusst der Atem angehalten, wodurch das Gehirn weniger Sauerstoff bekommt und dem Betroffenen in der Folge leicht ‘schwarz-vor-Augen’ oder schwindelig wird. Diese nun wahrgenommenen Symptome führen zu erneuter, starker Angst und es kann zur Entstehung der nächsten Panikattacke kommen: diesmal eventuell, wo der Betroffene sogar nur still und alleine vor seinem Laptop sitzt und nicht in der Öffentlichkeit unterwegs ist. Es kommt zur weiteren Verstärkung von Selbstbeobachtung und Vermeidung und damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit noch weitere Panikattacken zu erleiden. Damit wäre dann ein Teufelskreis geschlossen. (Natürlich ist eine genaue Körperbeobachtung zunächst durchaus sinnvoll, um eine tatsächlich körperliche Störung auch wahrzunehmen –  hier sei aber betont: zunächst! Denn diese Selbstbeobachtung mit möglichen anschließenden Fehlinterpretationen normaler Körperprozesse nimmt bei Betroffenen schnell zwanghafte Züge an).
  • Und als dritte Folge einer ersten auftretenden Panikattacke fangen Betroffene oft an – gerade wegen der Heftigkeit der Panikattacken – intensiv nachzugrübeln, ob sich die Ärzte nicht doch geirrt haben könnten und es doch eine körperliche, bislang noch unentdeckte Ursache für die Panikattacken gibt. Völlig richtig ist es dabei Panikattacken einmal umfangreich von verschiedenen Ärzten abklären zu lassen (vom Allgemeinarzt/Internisten, Neurologen/Psychiater). Die Gefahr besteht jedoch, dass Betroffene die Tendenz entwickeln, auch mehreren Ärzten keinen Glauben zu schenken und immer überzeugter werden,  dass es sich bei den Körperphänomenen in Wahrheit um eine bislang noch unentdeckte Krankheit handele – auch als Folge der großen Hilflosigkeit und Verzweifelung. Es kann dadurch zu einer Odyssee an Arztbesuchen kommen, einem regelrechten Arzt-Tourismus (Ärzte-hopping), um dem inneren Gefühl ‘verrückt zu werden‘ und der sich rapide verstärkenden Angst zu entkommen.

Durch diese Verhaltensänderungen entwickelt sich nicht selten aus einer einzeln aufgetretenen Panikattacke eine komplette Panikstörung:

Durch exzessives Vermeidungsverhalten, der Angst-vor-der Angst und der übertriebenen Selbstbeobachtung entsteht oft eine starke Angstspirale, die sich selbst verstärkt und schließlich zu einer Generalisierung führt: Panikattacken treten dann immer häufiger, unspezifisch und unkontrolliert in vielen neuen Situationen auf, die mit der ursprünglichen Erstsituation überhaupt keine Ähnlichkeit mehr haben – oder sogar in eher ruhigen Situationen.

Damit hat sich schließlich eine vollständige Panikstörung gebildet, die immer mehr Vermeidungsverhalten und noch verstärktere Innenschau und Selbstbeobachtung mit sich bringt – und damit das Anspannungs- und Angstniveau extrem heraufsetzt.

Letztendlich meiden Betroffene dann fast alles. D. h. es kann zu extremen sozialem Rückzug kommen, damit möglichst alle potenziellen Panik-Auslöser eliminieret werden. Zeitgleich wird der Betroffene immer hilfsbedürftiger, weil das Vertrauen in den eigenen Körper immer mehr verschwindet und der gewohnte Tagesablauf und normale Tagesanforderungen, wie z.B. Einkaufen gehen, alleine nicht mehr bewältigt werden können, weil sie das Haus kaum noch verlassen können.

Für Außenstehende ist das enorme Vermeidungsverhalten, die Arzt-Odyssee und die intensive Weigerung, den Ärzten endlich Glauben zu schenken, dass die eigene Psyche die Ursache für die Probleme sein soll, schwer nachzuvollziehen. Doch es wird verständlich, wenn man darüber nachdenkt:

Zunächst einmal sind die mit Panikattacken verbundenen körperlichen Reaktionen sehr massiv und die Betroffenen haben ein echtes Gefühl, gleich sterben zu müssen. Das verunsichert sehr und lässt Betroffene lange glauben, dass solche gewaltige Reaktionen nicht auf ‘bloße‘ Überlastung und Konflikte zurückzuführen sein können – es erscheint den Betroffenen schlicht absurd! Daher suchen sie lange nach potenziellen externen Verursachern und geben nur schweren Herzens die Hoffnung darauf auf.

Auch haben die Betroffenen einen enormen Leidensdruck wegen der völligen  Unkontrollierbarkeit des Körpers und der zunehmenden Isolierung und Hilfsbedürftigkeit. Eine normale Lebensbewältigung ist nicht mehr möglich. Und damit steigt natürlich der innigliche Wunsch, dass diese Phänomene endlich aufhören. Und der idealste und schnellste Weg wäre da eine ‘gute Tablette oder Medizin‘, die das ‘außer-Kontrolle-sein’ des eigenen Körpers schlagartig beenden möge und die Verlässlichkeit des Körpers wieder herstellt. Daher bringt jeder neue Arztbesuch auch erneute Hoffnung.

Und Betroffene spüren auch, dass eine rein psychische Ursache bedeutet, dass erst eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst notwendig ist und sich dann daraus auch noch fällige Lebensanpassungen ergeben könnten. Und diese können an sich schon beängstigend sein! Auch lassen sich solche Veränderungen nicht mal eben ‘über-Nacht’ erzielen, so dass bis zur ‘Erledigung’ noch mit zahlreichen weiteren Panikanfällen zu rechnen ist.

Zuletzt sei auch daran gedacht, dass Panikattacken mit intensiven Gefühlen des ‘eventuell-gleich-sterben-müssens’ sehr traumatisierende Erlebnisse sind. So dürfte jedem wohl verständlich werden, dass Betroffene jeden Strohhalm ergreifen (und jede mögliche Vermeidungsstrategie), um sich vor weiteren solchen Erfahrungen zu schützen.

Es wundert vor diesem Hintergrund also nicht, wenn Betroffene sich immer mehr isolieren und alle Ärzte der Umgebung bereits konsultiert haben.

Warum es sich jedoch lohnt, aus der Panikspirale herauszukommen, wo die psychischen Ursachen zu suchen sind und in welchem Zusammenhang Panikattacken mit Burnout stehen, beschreibe ich im Folgeteil dieses Artikels.

Ó Nicole Teschner – 2013

Wer oder was stresst denn da? Teil II: Cortisol – die Stresswache des Körpers

©drx photoxpress.com
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Forscher haben einen interessanten Versuch unternommen: Sie haben an Fallschirmspringern kurz vor dem ersten Sprung und an mehreren Zeitpunkten während und nach dem ersten Sprung die Blutwerte von Adrenalin und Cortisol – dem Langzeit-Stress-Hormon – gemessen. Die Testpersonen reagierten erwartungsgemäß mit einem Adrenalinanstieg, bevor Sie springen sollten, währenddessen und auch kurze Zeit noch danach. Doch schon sehr bald nach dem Sprung normalisierten sich die Adrenalinwerte wieder auf ein Normalmaß. Interessant war jedoch bei diesem Versuch, dass die Werte des anderen Stresshormons – Cortisol – erst 30 min nach dem Sprung ihren Höchstwert erreichten und dann noch längere Zeit erhöht blieben, obwohl die ‚Bedrohung‘ schon längst vorbei war.

Dies erscheint paradox und es drängt sich die Frage auf, warum uns die Natur scheinbar mit einem ‚Alarmsystem‘ ausgestattet hat, das viel zu spät reagiert?

Doch kein Merkmal eines Lebewesen bleibt über die Evolution erhalten, wenn es nicht einen Sinn hätte: Und so hat auch die Ausschüttung von Cortisol zwei wichtige Funktionen: Cortisol bewirkt einerseits im Gehirn durch Umbaumaßnahmen, dass die erlebte Stresssituation gespeichert und das Verhalten verändert und angepasst wird (quasi als Memofunktion) und andererseits verändert Cortisol den Körper, damit dieser ab sofort besser auf neuen Stress vorbereitet ist:

  • Dazu verstärkt Cortisol den Abbau körpereigener Eiweiße und Fette, die dann in Glucose (Zucker) umgebaut und das dann im Blut bereitgestellt wird, um genügend Energie im Falle eines erneuten ‚Sympathikus-Alarms‘ zur Verfügung zu haben
  • Glucose, die bereits im Blut vorhanden ist, wird weniger im Gewebe gespeichert, sodass zusätzlich mehr Blutzucker für den nächsten Notfall vorhanden ist
  • das Immunsystem wird durch Cortisol heruntergefahren, um keine Energien für körperliche Abwehrreaktionen zu verschwenden (im Gegensatz dazu erhöht die Sympathikus-Reaktion vorübergehend die Abwehrkräfte!)
  • die Ausschüttung von Cortisol senkt das Fortpflanzungsbedürfnis oder produziert sogar Unfruchtbarkeit, da der Organismus gerade nur für sein eigenes Überleben kämpft
  • der Sauerstofftransport im Körper wird verbessert, indem Cortisol die Bildung von roten Blutkörperchen anregt und gleichzeitig den Blutdruck erhöht
  • und es verbleiben mehr Blutfette im Blut, die zur Not erneut in Zucker umgewandelt werden oder als Reparaturhilfsstoffe bei beschädigtem Gewebe dienen können.

Bleibt der Stress bestehen und die Cortisolwerte anhaltend hoch, führt dies letztendlich zu langfristigen körperlichen Fehl-Veränderungen und Krankheiten:

  • Es kommt zu Gewichtsverlust und gleichzeitig zu einer Zunahme des Heißhungers nach Süßem. Dadurch verliert der Körper einerseits an Gewicht, dieses wird aber durch verstärkte Anlagerung von charakteristischem Bauchfett wieder ausgeglichen. Es kommt außerdem zu einer Fehlsteuerung des Insulin-Haushaltes mit einer möglichen Entwicklung hin zu einem metabolischen Syndrom oder Diabetes.
  • Die erhöhten Cholesterin-Werte im Blut können zu einer Verstopfung der Adern durch Ablagerungen des Blutfettes an den Innenseiten der Gefäßwände führen. Wenn dadurch z.B. ein Herzkranzgefäß verstopft, kommt es zu Symptomen der ‚Herzenge‘ (Angina pectoris), im schlimmsten Fall sogar zu einem Herzinfarkt. Die Entstehung dieser Krankheiten wird außerdem dadurch begünstigt, dass der zu hohe Cortisolspiegel die Entwicklung von Bluthochdruck fördert, der wiederum das Risiko für Herzerkrankungen erhöht.
  • Durch das reduzierte Immunsystem ist ein gestresster Mensch sehr infektanfällig und es kommt zu vielen Banalinfektionen, wie z.B. Schnupfen, Nebenhöhlenentzündungen usw.
  • Darüber hinaus kann die dauerhafte Muskulaturverspannung zu entzündlichen Muskelerkrankungen und in der Folge sogar zu chronischen Schmerzerkrankungen  führen.
  • Der Abbau körpereigener Eiweiße hat ebenso nachhaltige Folgen: es kommt durch den Abbau von Kollagenen zu verstärkter Faltenbildung und durch den ‚Raubbau‘ an Knorpelstrukturen zu Gelenkentzündungen und Bandscheibenvorfällen.
  • Die verschlechterte Kalziumverwertung aufgrund des Cortisols erhöht das Risiko für Osteoporose (‚Witwenbuckel‘).

Neben diesen Reaktionen auf den Körper hat ein erhöhter Cortisolspiegel auch weitreichende Konsequenzen auf das Gehirn. Diese führen zu Verhaltensänderungen und brennen die Stresserfahrung quasi im Gehirn ein. Da diese Reaktionen aufwendiger zu beschreiben sind, widme ich diesen Veränderungen einen eigenen Artikel, der erklären wird, wie anhaltender Stress sogar zu Panikattacken, Gedächtnisstörungen, Burnout und Depressionen führen kann.

Wenn wir uns hier bereits allein die körperlichen Folgen eines anhaltend hohen Cortisolspiegels vergegenwärtigen, dann kann die Quintessenz dieses Artikels schon lauten: Stress ist niemals positiv für den Körper! Stress ist immer eine Notfallreaktion, die sich in massiven körperlichen Veränderungen bemerkbar macht und damit langfristig gefährlich ist (und hier habe ich die psychischen Veränderungen, die zu Panikstörungen, Depressionen und Burnout führen, noch nicht einmal mitberücksichtigt!).

Es ist also eminent wichtig, seine Stressoren in den Griff zu bekommen. Und Stressoren sind nicht nur Situationen, die wir nicht oder nur schlecht kontrollieren können, sondern auch innere Konflikte, Krankheiten, Operationen, Hungerkuren, Angst, Lärm, Sorgen, Schlafmangel, Abendstress, ungünstige Beziehungen, mangelnde Erholungsphasen, dauerhaftes Überschreiten der eigenen Grenzen, Substanzmissbrauch (Drogen, Alkohol, Aufputschmittel, Medikamente), Pflege von Angehörigen usw. Aber auch eher positiv erscheinende Ereignisse, wie ein Wunschumzug, Veränderungen des Lebensstandes oder -standards, eine Beförderung, viel Sport oder Training, ein Kind, ein großer Freundeskreis, ‚Oma zieht ein‘, zu viel Medienkonsum, dauernde Erreichbarkeit etc. können viel Stress und zu einer enorm erhöhten Cortisolausschüttung führen und ebenso sehr krank machen.

Daher ist jeder Stress mit Vorsicht zu genießen und es ist ein weiser Umgang mit all den umgebenden Stressoren gefragt (d.h. auch mit dem sogenannten Eu-Stress). Am besten ist es, möglichst viele Stressoren abzustellen. Wenn dies jedoch nicht möglich ist, bietet sich ein Resilienztraining an, das hilft, besser mit Stress, Krisen und Katastrophen umgehen zu lernen und gelassener und ruhiger zu werden. Dies ist es, was ich als Resilienztrainerin vermittele.

©Nicole Teschner – 2013

Wer oder was stresst denn da? Das Wesen des Stresses Teil I

©AlienCat/photoxpress.com

Um das Wesen des Stresses und seinen ungünstigen Einfluss auf unseren Körper zu verstehen, ist zunächst ein Blick in den Aufbau und die Abschnitte unseres Gehirns notwendig.

Unser Gehirn besteht im Wesentlichen aus drei evolutiven Errungenschaften (Teilbereichen oder Schichten), die sich wie eine Zwiebel übereinander anordnen.

Der älteste Teil in unserem Gehirn ist der Hirnstamm. Die dazugehörigen Strukturen liegen – wie auch der Name schon andeutet – ganz im Inneren des Gehirns und stellen den Übergang zum Rückenmark dar. Er ist quasi unser noch vorhandenes Reptiliengehirn. Dieser Teil vermittelt die Aufrechterhaltung eines gleich bleibenden Stoffwechsels (sodass der Kreislauf funktioniert, die Atmung, der Herzschlag, die Verdauung usw.), die Herstellung des Tag-Nacht-Rhythmus, sowie die Reflexe. Einzig mit einem Hirnstamm ausgestattete Lebewesen können auf massive Bedrohung nur durch Totstellen reagieren und hoffen, dass sie vom Gegner – weil angeblich schon tot und daher ungenießbar – verschont bleiben.

Als Neuerung bildete sich dann das limbische System auf der Stufe der Säugetiere hinzu. Dieses liegt über dem Hirnstamm und unter der ‘Neokortex-Mütze’.

Mit der Entwicklung des limbischen Systems erhielten Säugetiere vor langer Zeit als bahnbrechende Neuerung im Stressgeschehen, dass sie auf Bedrohungen mit Kampf oder Flucht als Bewältigungsversuch reagieren konnten. Daher vermittelt dieser Teil des Gehirns die schnelle Bewertung von Situationen und löst damit im Körper aufgrund des festgestellten Bedrohungsgefühls alle nötigen Reaktionen aus.

Der neueste Teil des Gehirns – der Neocortex – entwickelte sich erst mit den Primaten. Der Neocortex umschließt wie eine Mütze die innenliegenden älteren Gehirnabschnitte. Auf dieser Entwicklungsstufe erhielten Tiere wichtige neue Fähigkeiten zur Abwendung langfristiger, existenzieller Lebensbedrohungen, wie Denken, Imagination, Problemlösung, die Bildung und Pflege sozialer Beziehungen sowie die Möglichkeit für Kommunikation.

Die Alarmanlage des Gehirns: Das limbische System

Nun könnte man denken, dass es evolutiv doch sinnvoll gewesen wäre, dem modernsten Teil des Gehirns – also dem Neokortex – auch alle Aufgaben für die Bewältigung von akutem Stress und akuten Bedrohungen anzuvertrauen. Doch das ist keineswegs so. Denn da der Neokortex enorm komplex aufgebaut ist und auch die Verrechnung sehr komplex ist, ist er im Falle einer direkten Bedrohung – wo es auf Geschwindigkeit ankommt – viel zu langsam.  Anders ausgedrückt: wenn wir eine Bedrohung mit dem Neokortex erst lange durchdenken würden, wären wir eher tot als reagiert zu haben. Für die direkte Abwendung einer unmittelbaren Bedrohung ist somit der Neokortex ungeeignet. Um aber langfristig darüber nachzudenken, wie man solche Bedrohungen umgeht oder nachträglich Schadensbegrenzung betreibt o.ä., ist der Neokortex jedoch perfekt!

Somit ist die Notfallzentrale immer noch auf der Stufe der Säugetiere – also im limbischen System – verblieben. Denn dieses reagiert aufgrund des einfacheren Aufbaus und der direkteren Vernetzung sehr viel schneller und kann den Körper schneller aus der Gefahrenzone bringen. Außerdem befindet sich das limbische System quasi im Zentrum des Gehirns und hat damit Zugang zu allen Teilen des Gehirns (auch zu Hirnstamm und Neorkortex).

Doch es hat seinen Preis, dass das limbische System immer noch mit dem Notfallmanagement betraut ist: durch die Abkürzung zwischen Reiz und Reaktion via limbisches System werden körperliche Reaktionen bei Bedrohungen stets ohne Bewertung unseres höheren, bewussten Verstandes (des Neokortex) ausgelöst. Und das führt zuweilen auch zu ausgelösten Notfall-Reaktionen, wenn keine offensichtlichen Bedrohungen mehr vorhanden sind. Dies passiert z.B. wenn das limbische System  aufgrund nur geringfügiger Ähnlichkeiten mit bereits erlebten, (tatsächlich bedrohlichen) Situationen glaubt, es wäre erneut eine Bedrohung vorhanden. Dann kann es vorkommen, dass der Körper wieder mit Angriff (Aggression) oder Flucht (Angst) – d.h. Stress – reagiert und den Körper in den Alarmzustand versetzt, obwohl es faktisch diesmal keine Bedrohung mehr gibt. Dies kann dann zu Angststörungen oder unangemessenen impulsiven Ausbrüchen oder Stress z.B. aufgrund erlebter, bedrohlicher Kindheitserfahrungen führen.

Wenn das limbische System Alarm schlägt

Wenn das limbische System schließlich zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine bedrohliche Situation vorliegt, sendet es über ein Nervengeflecht Impulse aus, die den gesamten Körper für Angriff- oder Fluchtverhalten vorbereiten. Das Nervengeflecht, dass dieses bewirkt nennt man den Sympathikus (der Name erscheint etwas verwirrend, da uns ja die durch dieses System ausgelösten Reaktionen weniger sympathisch erscheinen. Aber das Endergebnis – nämlich der Schutz unseres Lebens – ist dagegen durchaus sympathisch! Vielleicht erklärt das den Namen ;) ).

Es kommt zur Steigerung von Herzfrequenz (Puls) und Atmung (damit mehr Sauerstoff zur Verfügung steht), die Muskulatur wird angespannt, Glukose-Reserven für den erhöhten Bedarf werden bereitgestellt, die Verdauungsaktivität gesenkt (oder aber Darm und Blase können sich auch schneller entleeren,  um mobiler zu werden) und die Libido wird eingeschränkt (da eine Fortpflanzung aktuell eh unnötig ist, wenn nicht einmal klar ist, ob man es gerade selbst überlebt…).

Gelingt die Abwendung der Bedrohung – ganz gleich durch welche Strategie – wird dieses wieder vom limbischen System registriert und das Gegenspieler-Nervengeflecht, der Parasympathikus wird aktiviert.

Dieses sorgt für Entspannung des Körpers: die Atemfrequenz sinkt, die Muskeln erschlaffen, die Verdauungsfähigkeit nimmt wieder zu, die Libido steigt usw. Auch die Herzfrequenz sinkt wieder, bis wieder ein Ruhezustand eingekehrt ist.

Kurzzeitige Bedrohungen lösen also starke Kampf- oder Fluchtreaktionen aus, haben aber keinen längerfristigen schädlichen Effekt auf den Körper, wenn die Bedrohung durch diese Reaktion abgewendet werden kann. Anders ist es, wenn Bedrohungen nicht abzuwenden sind und das Gefühl der Bedrohung anhält. Dann kommt es zur Aktivierung einer Langzeit-Stress-Reaktion. Diese und die Wirkungen auf den Körper werde ich im Folge-Artikel beschreiben.

©Nicole Teschner – 2013

Abschluss ‚Verlorene Kindheit‘: ‚Stopp‘ den gequälten Kinderseelen!

Sie mögen umstritten sein, aber in diesem Song treffen Sido & Bushido den Nerv (oben eine Coverversion):

‚Gib nicht auf‘

handelt von Kindern, die ausgegrenzt, gemobbt, vernachlässigt, anders sind – und deren gequältes Herz schreit:

Kindersorgen, die es heute gibt – Kindersorgen, die es immer schon gab, und die sich bis ins Erwachsenenalter problematisch auswirken können!

Mit diesem Video möchte ich Sie am Abschluss der Serie ‚verlorene Kindheit‘ nochmals teasern, Ihren eigenen Kindheitsnöten achtsam nachzuspüren, um Unverarbeitetes mit all Ihren Erwachsenenkompetenzen von heute integrieren zu können. Denn heute können Sie dies schaffen, weil Sie im Gegensatz zu damals sehr viel stärker sind und viel mehr Möglichkeiten haben und gut für sich selbst sorgen können!

Und ‚Sido & Bushido‘ mögen Sie gleichzeitig an unsere heranwachsene Generationen erinnern: 

Denken Sie daran: Ein einziger ‚wissender Zeuge‘ reicht, um eine Kinderseele zu retten, wenn dieser dem Kind zu verstehen gibt, dass es jemand gibt, der seine Nöte ernst nimmt. Dadurch kann ein Kind sehr viel resilienter werden. Das war es, was Alice Miller in all ihren Büchern immer wieder betont hat: bereits ein wissender Zeuge genügt, um das Weltbild eines geschundenen, gemobbten Kindes nachhaltig positiv zu verändern!

Dieses Video fasst damit meinen Appell an Sie durch die Serie ‚verlorene Kindheit‘ zusammen:

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihr eigener ‚wissender Zeuge‘ für eigene, noch ungeheilte Kindheitsnöte werden und auch die Augen offenhalten für schreiende Kinderseelen von heute. Denn es gibt noch viel zu viele davon. (Doch Vorsicht! Sollten Sie etwas derartiges bemerken, sprechen Sie bitte mit professionellen Ansprechpartnern, die dann weitere Schritte unternehmen können. Bitte agieren Sie keineswegs selbst!)

Wenn ich Sie mit dieser Serie für diese zwei Punkte sensibilisieren konnte, dann hat sich meine Ausarbeitung der Serie mehr als gelohnt!

Also:

Tue mir den Gefallen, gib nicht auf,

selbst wenn Du jetzt denkst,

Du kommst nie wieder aus dem Loch hier heraus,

auch wenn es manchmal schwerfällt und du denkst,

das Leben macht keinen Sinn,

guck: die Sonne geht doch wieder auf!

(Sido&Bushido, Gib nicht auf!)

©Nicole Teschner – 2013

(Hinweis: das Urheberrecht auf obiges Video oder die Musik obliegt den Veröffentlichten/Künstlern.)

Verlorene Kindheit: Das gestrafte Kind – körperliche Folgen als Erwachsene

Nach dem psychischen Missbrauch, den Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung  anderen Menschen oder sogar Kindern antun oder angetan haben, möchte ich das Thema körperliche Misshandlung und Bestrafung in der Kindheit aufgreifen.

Eine ganze Generation Kinder ist Opfer der ‚schwarzen Pädagogik‘ geworden.

Die schwarze Pädagogik sah vor, dass man Kinder durch körperliche Züchtigungen erziehen solle, weil sie es bräuchten und sonst nicht ordentlich heranwüchsen – eine Philosophie auf der Basis von Luthers Lehren und dem vierten Gebot ‚du sollst Vater und Mutter ehren‘. Erst im Verlauf der 70er und 80er Jahre ist immer mehr erkannt worden, dass das körperliche Erziehen doch schädlich auf die Psyche der Kinder ist und es hat sich in der Pädagogik seither viel verbessert.

Das heißt, dass viele – wenn nicht die meisten – der heute um die 40, 50 oder 60-jährigen Rohrstock, Teppichklopfer, Kleiderbügel, Kochlöffel, schlagende Hände o.ä. in anderer Funktion als ursprünglich geplant in unangenehmer Erinnerung haben dürften. Oder anders formuliert: die Ausnahme war ein Aufwachsen ohne Körperstrafe.

Erst ab dem Jahr 2000 haben Kinder laut BGB §1631 – dem ‚Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung‘ das ausdrückliche Recht auf gewaltfreie Erziehung: ‚Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig‘ (vgl. Wikipedia).

Körperliche Konsequenzen

Eine ganze Generation kennt also die Prügelstrafe, die Unvorhersehbarkeit von Bindungspersonen und die Unsicherheit, die das häusliche Umfeld damit erzeugt hat. Und das hat weitreichende körperliche Konsequenzen bis ins Erwachsenenalter hinein:

Wie aktuelle Unteruchungen zeigen, hängen frühkindliche Missbrauchserfahrung (hier bezogen auf die rein körperlichen!) eng mit der Entstehung von Depressionen, Angsterkrankungen und Angstsymptomen, plötzlich auftauchenden Schreckensbildern, Borderline-Störungen und Essstörungen  zusammen. Auch das ‚bloße‘ Miterleben häuslicher Gewalt hat ähnliche Effekte und führt zu stressbedingten Erkrankungen.

Kinder erleben Erfahrungen eher traumatisch als Erwachsene

Das kindliche Gehirn ist sehr anfällig für die Entwicklung Misshandlungs-bedingter Spätfolgen. Während bei Erwachsenen eher schwerwiegende Ereignisse eintreten müssen, damit es zu schwerwiegenden Veränderungen des Gehirns kommt, reichen bei Kindern auch weniger bedrohliche Ereignisse, um zu solchen Veränderungen zu führen (z.B. mangelnder Körperkontakt von Neugeborenen), weil das frühkindliche Gehirn enorm plastisch ist und es damit stressanfälliger ist. Und diese ‚Stresserfahrung‘ wird damit quasi in das Gehirn ‚eingebrannt‘.

Je eher solche Erfahrungen gemacht werden, desto stärker ist die Wahrscheinlichkeit einer starken ‚Ver-Formung‘ der Gehirnarchitektur, weil die Neuroplastizität ihren Höhepunkt bei ca. einem Lebensjahr hat und danach stetig geringer wird.

Wenn solche Erfahrungen sogar gemacht werden, bevor die Sprachentwicklung stattgefunden hat, dann bleiben damit verbundene Emotionen im Gedächtnis gespeichert, aber die Erinnerung dazu kann niemals in Worte gefasst werden, weil dazu die Sprachentwicklung nötig ist. Damit ‚gibt es zwar die Gefühle und die Emotionen, nicht aber die Worte für die Erinnerung, die sie formten‘ (Daniel Goleman). Solche frühkindlichen Erfahrungen, die später nicht unmittelbar dem Bewusstsein zugänglich zu machen sind, haben damit das Potenzial, zu Beeinträchtigungen bis ins Erwachsenendasein zu führen, ohne dass ein Erinnerungszusammenhang hergestellt werden könnte.

Doch was, wenn Sie bei sich solche Zusammenhänge erkennen?

Auf gar keinen Fall sollten Sie nun Massen-Privatgerichte hervorrufen, wo Sie als Erwachsene jetzt anfangen ihre (vielleicht noch lebenden) Eltern für aktuelle gesundheitliche Schwierigkeiten zur Rechenschaft zu ziehen. Denn ein ‚zur Rede stellen‘ der Eltern ist erst einmal gar nicht notwendig. Außerdem werden diese in den wenigsten Fällen ‚zugeben‘ – geschweige denn sich entschuldigen -, dass Sie damals etwas Falsches getan haben, weil Sie unter anderen Voraussetzungen und Vorstellungen aufgewachsen sind und demgemäß gehandelt haben und es ihnen oft sogar richtig erschien.

Ihre Aufgabe ist es, erst einmal solche Zusammehänge zu erkennen und zu begreifen, dass körperliche Strafen, Schikanen, Beschämungen in Ihrer Kindheit in Zusammenhang mit aktuellen Problemen stehen könnten. Und danach sollten Sie sich daran machen, diese Themen und die Zusammenhänge zu bearbeiten und ‚aufzulösen“, so dass sie Ihnen keine weiteren Schwierigkeiten mehr bereiten werden. Und dafür gibt es viele gute Möglichkeiten und Strategien.

©Nicole Teschner – 2013

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Burnout: Warum ‚ein Ruhetag‘ oft nichts bringt Teil II

Um nochmal auf die wohlgemeinten Tipps ‚ Ruhetag einhalten‘ oder ‚Pausen machen‘ zurückzukommen:

Wie ich es schon im letzten Artikel verdeutlich habe, ist es ab einer gewissen Stufe des Burnout-Prozesses durchaus sehr wichtig, einem gestressten Körper und einer gestressten Psyche Erholung zu gönnen, damit sich das übersteigerte Stresssystem im Körper wieder beruhigen kann.

Allerdings fördert dies eher mehr Frust als es hilft, wenn nicht gleichzeitig die Muster verändert werden, die es so schwierig machen, das eigene Verhalten – welches zu übersteigerter Arbeit oder Aktivität und zum ‚fehlendem Grenzen-setzen können gegen sich selbst‘ führen – verändert werden:

Nehmen wir einmal an, im Vertrag ist eine 40 Stunde-Woche vereinbart und mit Erfüllen dieser 40 Stunden wandert am Ende des Monats automatisch der Lohn oder das Gehalt auf das Konto. Damit würde es also reichen, nach genau 40 Stunden den Hammer oder die Akten oder das Telefon oder Sonstiges fallen zu lassen und nach Hause zu gehen.

Burnout-Gefährdete tun das aber meistens nicht: sie arbeiten nach Feierabend dann nochmal eben das ab, was noch liegen geblieben ist, nehmen sich Arbeit mit nach Hause, sind allzeit bereit, wenn sie gefordert werden, übernehmen die Arbeit anderer zusätzlich in ihr Arbeitspensum (‚weil es sonst nicht läuft‘), fühlen sich für alle Fehler selbst verantwortlich, bürden sich immer wieder Zusatzarbeit auf und möchten ihre Arbeit ‚eben sehr gut machen‘ usw., usw.

Es drängt sich gleich ein ‚warum tun sie das?‘ auf und das führt mich zum Thema ‚Sinnhaftigkeit Allzweckwaffe Ruhetag‘:

Viele Burnout-Gefährdete oder -Erkrankte tun dies, weil dies zusätzliche Bedürfnisse erfüllt, die weit, weit über das Geldverdienen hinausgehen und geraten genau durch dieses Verhalten in einen Burnout. Wichtig zu betonen ist, dass vielen Burnout-Erkrankten diese Bedürfnisse keineswegs bewusst sind und dass das ehrliche Eingestehen dieser Zusammenhänge auch sehr viel Mut erfordert.

Um aber zurück zum Thema ‚nehmen Sie einen Ruhetag pro Woche‘ zu kommen:

Raten Sie mal, was passiert, wenn der Betroffene sich vorher sieben Tage die Woche diese Metabedürfnisse über seine Arbeit erfüllen konnte und jetzt auf einmal 1/7 dessen‘ streichen soll, weil er einen Tag Auszeit nehmen soll?

Ich denke, sie kennen die Antwort schon: es wird genau das Gegenteil von Ruhe und Erholung eintreten, weil der Betreffende es unbewusst als Strafe wahrnehmen wird, wenn diese Bedürfnisse nun weniger erfüllt werden und in verstärktem Stress geraten. Denn durch den Behebungsversuch der körperlichen Erschöpfung hat er nun psychisch ein neues Problem wegen mangelnder Bedürfnisbefriedigung geschaffen. Damit wird der Burnout-Gefahr nicht entgegengewirkt, sie wird in diesen Fällen den Stress verstärken, weil ein neues Frustrationsproblem entsteht.

Die Kunst besteht also darin, zu erkennen, was genau es ist, was die Ursache von Verausgabung und Erschöpfung tatsächlich ist und sie dann zu verändern.

 

©Nicole Teschner – 2013

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Burnout: Warum ‚ein Ruhetag‘ oft nichts bringt Teil I

Als ich heute Morgen mal geschaut habe, wie die Tipps-Seite auf Google erscheint, habe ich mir auch andere Seiten angeschaut, die ebenfalls Tipps gegen Burnout parat haben (sollen). Bei einer Seite habe ich mir bereits bei der Definition des Burnout-Syndroms ungläubig an den Kopf gefasst. Da steht:

Das Burn-Out-Syndrom ist ein Sammelbegriff. Er beschreibt lediglich das Gefühl, das die meisten Menschen mit schweren Depressionen, chronischen Schlafproblemen, Angststörungen oder Stress eint: ein Gefühl von völliger, innerer Leere und Antriebslosigkeit.

Diese Definition klingt sehr verniedlichend und packt einfach mal alle in einen Topf, denen scheinbar irgendwie nicht zu helfen ist. Das dies nicht der Fall ist, erlebe ich in der täglichen Praxis immer wieder.

Weiter heißt es nun:

Damit es aber gar nicht erst soweit kommt, sollten Sie ein paar wichtige Tipps beachten.

Die nun folgenden vier ersten Tipps beziehen sich darauf, mit den eigenen Kräften besser zu haushalten, regelmäßig Pausen einzulegen, ungesunde Substanzen zu meiden usw. Durchaus sinnvoll, aber ich fasse sie mal zusammen zu (und diese Tipps findet man auch regemäßig auf den anderen Seiten):

‚Hör einfach auf so viel zu arbeiten (zu leisten) und ernähr dich gesund!‘

Wenn das der Schlüssel gegen Burnout ist, warum reicht es dann oft nicht aus, ein, zwei oder drei Wochen auszusteigen? Oder sich sogar längere Zeit ‚krankschreiben zu lassen‘  und es verändert sich trotzdem nichts? Sicher haben viele Betroffene genau diese Erfahrung gemacht und gemerkt, dass das nicht der ultimative Schlüssel im ‚Kampf‘ gegen Burnout ist, denn das ’sich selbst Grenzen setzen‘, funktioniert nicht oder die Probleme werden dadurch keineswegs besser.

Der nächste Tipp besagt (auch auf weiteren Seiten zu finden):

‚Vernachlässige auf keinen Fall Familie, Freunde oder Hobbies!‘

Dieser Tipp mag bei Gesunden oder bei leicht Gefährdeten oder Gestressten gut funktionieren.

Wenn man allerdings die (neurobiologischen) Prozesse kennt, die im Verlauf des Burnout-Prozesses (oder einer erhöhten, fortschreitenden Stressexposition) auftreten, dann müsste man wissen, dass diese Strategie ab einer gewissen Stufe ebenfalls versagen MUSS, eher kontraproduktiv ist und der Rückzug Betroffener eine ganz normale und vor allem erst einmal sinnvolle Folge ist. Warum dies gar nicht funktionieren kann, erläutere ich meinen Seminarteilnehmern und Klienten immer wieder ausfühlich. Und Gefühle von Leere, Antriebslosigkeit oder Lähmung oder damit einhergehende Depressionen sind damit der Ausdruck eines langen Leidensweges und nicht Ausdruck einer verniedlichten, neurotischen Anwandlung Betroffener oder eines ‚ich habe einfach grad mal kein Bock‘. Hier wird auf vielen Seiten Missverständliches vermittelt.

Die letzten drei Tipps auf dieser Seite sind dann endlich sinnvoller: Reflexion der eigenen Lage und Hilfe suchen und vor allem: Hilfe annehmen!

Und dazu ist professionelle Unterstützung in jedem Fall sehr sinnvoll.

In Folgeartikel werde ich nochmal aufgreifen, warum ein Ruhetag als Erstmaßnahme eher schädlich als förderlich ist.

©Nicole Teschner – 2013

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(obige Tipps und Definition gefunden auf:  rtl.de/cms/ratgeber/tipps-gegen-das-burn-out-syndrom-d8df-6e0f-99-112012.html)

Der kleine Alltagsoptimist

HedgehogWir haben täglich viele Dinge, für die wir dankbar sein können. Sie glauben mir nicht?

Sie können laufen? Was wäre, wenn sie es plötzlich nicht mehr könnten?

Sie können atmen? Was wäre, wenn sie es nicht mehr könnten?

Sie können den Text lesen? Wie wäre es, wenn sie es nicht mehr könnten?relocine nschet

Vielleicht werden sie jetzt sagen: ‚ja, aber das ist doch normal! Das können doch viele…warum sollte ich dafür dankbar sein?“

Ich kann Ihnen diese Frage schnell beantworten:

Fragen Sie doch mal einen Gelähmten, ob Laufen normal ist? Und fragen Sie jemanden, der nur noch sehr schlecht Luft bekommt, ob es normal ist zu atmen? Oder den Blinden, wie gerne er ihnen nun über die Schulter schauen würde, um den Text zu lesen? Wie normal wäre es dann für sie, was wir täglich alles genießen können?relocine nschet

Wir alle vergessen dankbar zu sein und uns darüber zu freuen, was bereits gut (normal?) ist. Erst wenn es plötzlich nicht mehr ’normal‘ ist, wird uns bewusst, wie gut wir es hatten. Und auch wenn es gerade schwierig ist und nicht so läuft, wie wir es uns wünschen würden: wieviel haben wir trotzdem, das gut für uns ist, was uns gut tun kann, worauf wir einfach nur mehr bewusst achten müssten, um unser Gehirn in eine andere Balance zu bringen – jeden Tag?

Jede Emotion hat einen Einfluss auf unseren Körper. Positive beeinflussen den Körper und das Wohlbefinden positiv – negative eben negativ. D.h. allein durch die Veränderung des Blickwinkels können Sie sich sehr viel positiver stimmen und längerfristig Ihr Körpergefühl damit verbessern.

Resiliente Menschen haben die Fähigkeit realistisch optimistisch in die Welt zu blicken. Diese Fähigkeit ist eine der Fähigkeit, die benötigt werden, um selbst resilienter zu werden. Dies ist eine Fähigkeit, die Sie in einem Resilienztraining erlernen können.

©Nicole Teschner – 2012